Vorwort: Dieser Bericht ist von meinem Reisebegleiter geschrieben und wurde ebenfalls über Inflationshopper.net veröffentlicht.
Mailand, Italien 04.02.2022 – 06.02.2022
Como 1907 0:2 Frosinone Calcio
Im dritten Anlauf!
Nach über drei Monaten ohne einen einzigen Urlaubstag ging es endlich wieder ins Ausland. Spät am Freitagabend bestiegen wir den vollen Rainer Bomber in Richtung Mailand-Bergamo und freuten uns heimlich darüber, dass durch die Absage der dritten Reisebegleitung der Mittelplatz frei blieb und die Beine etwas gestreckt werden konnten. Nach einer schnellen Shuttle-Suche Richtung Milano Centrale, wo unsere Airbnb-Vermieterin bereits ungeduldig wartete – schließlich musste sie trotz Self-Check-in noch elektronisch die Tür öffnen – stellten wir vor Ort erschrocken fest, dass unsere beliebten E-Roller nicht bis zu unserem Ziel gefahren werden durften. Also sattelten wir auf E-Bikes um und radelten mindestens eine halbe Stunde durch die Mailänder Nacht in Richtung Unterkunft. Eine durchaus interessante und amüsante Erfahrung – man sieht viel von der Stadt und tut nebenbei noch etwas für die Fitness. Muss man sich mal vorstellen, kann sich kaum jemand vorstellen!
Nach einer kurzen Nacht ging es am nächsten Morgen zurück zum Milano Centrale, um den Zug nach Como zu nehmen. Dieses Mal wurden die Zugtafeln dreimal gründlich überprüft. Beim ersten Versuch vor einigen Jahren, der eigentliche Start der Reise, wollten wir zum AC Monza, stiegen jedoch in den falschen Zug und verpassten den Länderpunkt. Als unser heutiger Zug dann noch Monza auf dem Weg nach Como durchquerte, konnten wir uns ein Lächeln nicht verkneifen.
Das kleine, charmante Städtchen Como liegt ganz im Norden Italiens am Comer See und grenzt nur wenige Kilometer von der Schweiz entfernt. Die Stadt ist bekannt für ihre teuren Läden und wohlhabenden Touristen, doch die Lage am See mit den Bergen im Hintergrund macht sie auch für uns Malocher zu einem wunderschönen Ausflugsziel. Bei 18 Grad und Sonnenschein machten wir uns auf zum Stadion, das ebenfalls direkt am See liegt. Über 6.800 Zuschauer sorgten für ein überdurchschnittliches Besucheraufkommen, und die geschätzten 3.000 Como-Fans in der Kurve überzeugten in der ersten Halbzeit mit guter Stimmung. Da es außer auf der Haupttribüne keine Überdachung gibt, war ich positiv überrascht. Das Spiel begann mit etwas Rauch und dem Schriftzug COMO. Die typischen, zahlreich angebrachten italienischen Banner wussten ebenfalls zu gefallen.
Die 100 Gäste aus Frosinone waren kaum zu hören, obwohl eine Ultraszene des Spitzenreiters die rund 6,5-stündige Fahrt auf sich genommen hatte. Nach einer schnellen 0:1-Führung durch einen schönen Volleyschuss aus 25 Metern entschied Frosinone kurz darauf das Spiel, das gegen Ende der ersten Halbzeit deutlich an Tempo verlor. Die Stimmung der Heimfans brach mitten in der zweiten Halbzeit plötzlich ab, als die Partie für 20 Minuten unterbrochen wurde, weil ein Fan zusammengebrochen und abtransportiert werden musste.
Während der Pause verließ ich kurz das Stadion, und dabei wurde ich von mehreren England-Touristen aus der ersten Reihe als eindeutiger Brite identifiziert („He is British, look at him, he is definitely English!“) – eine amüsante Randnotiz, die am nächsten Tag noch für Gesprächsstoff sorgte. Nach dem Wiederanpfiff passierte nicht mehr viel, und Frosinone baute seine Tabellenführung weiter aus.
Ein eigentlich schöner Tag in einer feinen kleinen Stadt mit gutem Support der Como-Fans erhielt durch den Vorfall mit dem verletzten Fan einen ordentlichen Dämpfer. Für mich fiel hier endlich der Länderpunkt Italien. Der zweite Versuch war zuvor im Pärchenurlaub gescheitert, als ich vor einer Höhlenwanderung bemerkte, dass Cagliari gerade spielte, ich aber in trauter Zweisamkeit Samstag und Sonntag verwechselt hatte. Anfängerfehler wäre eine wohlwollende Beschreibung…
A.S.D. Alcione 1:0 Lumezzane,
Sonntag, 6.2.2023 – ca. 400 Zuschauer (ca. 50 Gäste)
Eigentlich sollte hier ein Bericht zu einem Inter-Spiel stehen. Doch letztlich entschieden wir uns gegen den Frauenfußball. Stattdessen besuchten wir einen Stadtteilverein, der in der nicht-professionellen vierten Liga spielt. Die Erwartungen waren gering, schließlich versprach das Foto vom Futbology-Stadion nur einen Kunstrasen ohne Ausbau.
Am Ground angekommen, empfing uns eine dichte Rauchwolke und einige hundert Zuschauer – vielleicht 400, darunter etwa 50 Gäste. Es war das Spitzenspiel zwischen dem Tabellenführer aus Lumezzane und dem Zweiten aus Mailand. Der heimische Support bestand aus ein paar Tröten und vielen Kindern auf einer kleinen Stahlrohrtribüne mit vielleicht fünf Reihen.
Das Highlight des Spiels war jedoch ein etwa 11-jähriges Kind, das gleich zweimal einen Rauchtopf zündete und festhielt – unvorstellbar in Deutschland! Das war mehr als nur ein lokaler Kunstrasenplatz. Man sollte sich viel mehr treiben lassen und sich nicht von Social Media und anderen Kanälen beeinflussen lassen. Auch wenn wir Groundhopper gerne alles bis ins Detail planen: Für denjenigen, der sich nicht überraschen lässt, gibt es keine Überraschung.
Die Mailänder entschieden das zerfahrene Spiel spät in der zweiten Halbzeit für sich, und wir kehrten hochzufrieden zu unserer Unterkunft zurück.
Das große Derby Mailands sollte noch warten.
Inter Mailand 1:0 AC Mailand,
Sonntag, 06.02.2023 – Ausverkauft.
Das größte italienische Derby im Giuseppe Meazza-Stadion, besser bekannt als San Siro, stand bevor und die Vorfreude nach dem Regionalspiel war riesig. Nach einer hausgemachten Pizza stiegen wir in den Bus, der uns direkt vor die Tore des San Siros brachte. Beim Aussteigen wird man sofort von der gewaltigen Dimension des 75.000 Zuschauer fassenden Stadions überwältigt – ein beeindruckender Anblick. Die Türme und Aufgänge zu den oberen Rängen heben sich deutlich vom Außenbereich ab, doch im Inneren wirken die vier mächtigen Türme noch viel imposanter.
Als einer von vielen Groundhoppern fiel man wohl schnell auf, und die Suche nach dem richtigen Sitzplatz gestaltete sich wegen fehlender Beschriftungen überraschend schwierig. Nach einigen Minuten fanden wir jedoch unseren Platz und konnten die einzigartige Atmosphäre genießen.
Vor Spielbeginn zeigten beide Fangruppen große Spruchbänder. AC Milan, als aktueller Meister, spielte auf das verlorene Pokalspiel in Saudi-Arabien an mit dem Schriftzug: „i campioni d’Italia salutano i campioni d’Arabia“ – „Der Meister Italiens grüßt die Meister Arabiens“. Inter Mailand konterte mit: „Anche a Riad l’ennesima dimostrazione… il diavolo in ginocchio al cospetto del Biscione“ – „Auch in Riad die nächste Demonstration… der Teufel (AC) kniet vor dem Biscione (Inter)“. Interessant, dass beide Seiten das Pokalspiel in Saudi-Arabien thematisierten.
Zum Anpfiff präsentierten beide Kurven Choreographien. Inter zeigte eine beeindruckende Papenchoreo in Form eines Schlangenkopfes, während AC mit einem schlichten Spruchband „Forza Diavolo“ – „Vorwärts, Teufel“ – auf sich aufmerksam machte, einem Spitznamen der Rossoneri. Der Choreopunkt ging eindeutig an Inter, das auch lautstark im weiten Rund überzeugte. Obwohl wir näher an der Curva Nord saßen, blieb AC phasenweise still.
Sportlich präsentierte sich AC in einer absoluten Krise, verteidigte tief und überließ Inter das Spiel, das die Nerazzurri letztlich verdient mit 1:0 gewannen. Das entscheidende Tor erzielte Lautaro Martinez per Kopfball nach einer Ecke.
Das Derby della Madonnina konnte uns insgesamt nicht vollends begeistern. Zwar kam Rauch und Pyrotechnik zum Einsatz, doch nur vereinzelt, sodass kein geschlossenes Bild entstand. Nach dem geplanten Neubau des San Siros werden wir sicher erneut ein Mailänder Derby besuchen, allerdings sind unsere Erwartungen jetzt etwas gedämpfter.
Dennoch waren die enorme Fanmasse und das San Siro selbst beeindruckend. Beim Schlusspfiff sorgte ein Großteil der Inter-Fans mit einem Siegesgesang noch einmal für Gänsehaut.