Wochenendtrip nach Oslo (Länderpunkt 17)

Wochenendtrip nach Oslo (Länderpunkt 17)

Vorwort: Dieser Bericht ist von meinem Reisebegleiter geschrieben und wurde ebenfalls über Inflationshopper.net veröffentlicht.

Norwegen liegt mir besonders am Herzen – ich habe dort mehrere Monate gelebt und gearbeitet. Umso mehr freute ich mich, als ich Nick überzeugen konnte, den 1. Mai zu nutzen und für drei Tage nach Oslo zu fliegen. Für ihn war es ein neues Reiseziel; mein Ziel ist es, irgendwann alle Spiele der Eliteserien, der höchsten norwegischen Liga, zu besuchen. Angesichts der Preise in Nordeuropa wird das sicherlich eine langwierige Herausforderung…

Lyn Oslo 0:1 Grorud ILSamstag, 16:00 Uhr, 29.04.2023 – Bislett Stadion – 1471 Zuschauer (etwa 20 Gäste, 13€)

Nach einem sehr angenehmen Flug, bei dem sogar Fritz Meinecke, der Gründer der YouTube-Serie 7 vs. Wild, mit an Bord war, landeten wir in der Hauptstadt. Nach einer kurzen Pause am „Operahuset“ machten wir uns auf den Weg zum Bislett-Stadion. Das Stadion fasst 15.400 Zuschauer und wird hauptsächlich für städtische Konzerte, Leichtathletikveranstaltungen sowie für Spiele des aktuellen Fußball-Drittligisten Lyn Oslo genutzt. Lyn Oslo, zweifacher Meister und achtfacher Pokalsieger, spielt seit Jahren nur noch in den unteren Ligen. Im vergangenen Jahr gelang immerhin der Aufstieg von Liga 4 in Liga 3.

Bei sonnigem Wetter, das in Norwegen bereits ab 10 Grad viele Menschen ins Freie lockt, fanden sich über 1.400 Zuschauer zum heutigen Spiel ein. Schlechtes Wetter oder Spiele auf Lyns Kunstrasenplatz ziehen oft nur etwa 150 Besucher an. Das Stadion selbst hat eine ungewöhnliche Form: Auf der einen Hintertorseite gibt es nur drei Sitzreihen direkt vor einem angrenzenden Gebäude, während auf der gegenüberliegenden Seite eine recht steile Tribüne steht. In der Halbzeitpause strömten viele Zuschauer auf den Platz und die Laufbahn, um gemeinsam mit ihren Kindern selbst Fußball zu spielen. Es gab keine Ordner, lediglich der Stadionsprecher erinnerte einmal daran, rechtzeitig zum Anpfiff wieder auf den Tribünen Platz zu nehmen.

Der Verein verfügt über eine kleine, aber engagierte Fanszene. Am Samstag unterstützten etwa 50 bis 100 aktive Fans ihr Team mit lautstarkem Support. Zu Spielbeginn gab es zudem eine kleine Pyro-Show. Obwohl Lyn das Spiel dominierte, nutzte die Mannschaft ihre Chancen nicht und wurde folgerichtig mit einer 0:1-Niederlage bestraft. Nach einer Mahlzeit ging es zurück zur Unterkunft, mit der Hoffnung, dass die kommenden Spiele noch erfolgreicher verlaufen würden.

Strømsgodset IF 0:1 Tromsø ILSonntag, 17:00 Uhr, 30.04.2023 – Marienlyst Stadion – 5004 Zuschauer (etwa 75 Gäste, 13€)

Für das nächste Spiel bei bestem Wetter am Sonntag wurde der Zug nach Drammen genommen. Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten und kostet 12€ pro Strecke. Von dort führt ein etwa zehnminütiger Fußweg zum Erstligaverein Strømsgodset, der seit vielen Jahren im Mittelfeld der Liga spielt. Rund 200 Heimfans sorgten für organisierten Support, während im Auswärtsblock etwa 75 Tromsø-Anhänger zu finden waren. In und um Oslo leben einige Tromsø-Fans, die hier arbeiten, aber ursprünglich aus Nordnorwegen stammen. Dennoch reisten diesmal die meisten der rund 1700 Kilometer pro Strecke an und bildeten einen der größten Auswärtsblöcke in der Geschichte von Tromsø. Für Außenstehende mag diese Zahl gering erscheinen, doch für einen kleinen Verein, der zu jedem Auswärtsspiel eigentlich fliegen muss, relativiert sich das schnell. Auch die Gäste unterstützten lautstark, zeigten ein Spruchband („Tromsø auf Tour“) und zündeten nach dem 0:1-Siegtor einige vermutlich legale Pyros. Das Ergebnis war durchaus schmeichelhaft, beide Teams zeigten technisch sauberen Fußball, sodass noch mehr Tore möglich gewesen wären. Zufrieden ging es zurück nach Oslo, wo man gespannt dem nächsten Tag entgegensehnte.

Vålerenga IF 0:1 Lillestrøm SKMontag, 17:00 Uhr, 01.05.2023 – Intility-Arena – 16555 Zuschauer (ausverkauft, 22€)

Am letzten Tag der Reise begann der Tag bei regnerischem Wetter ganz gemächlich. Gegen 15 Uhr zeigte sich langsam die Sonne, und die Vorfreude stieg. Da wir uns die günstigsten Tickets für den Familienblock gesichert hatten (250 NOK, etwa fünf Wochen im Voraus gekauft) und diese unnummeriert waren, also freie Platzwahl hatten, gingen wir bereits 90 Minuten vor Anpfiff zum Stadion. In Norwegen sind die Spiele der Eliteserien meist nicht ausverkauft – Ausnahmen bilden nur besondere Anlässe wie der Spieltag am Nationalfeiertag, dem 17. Mai. Selbst bei Zuschauermagneten wie Brann Bergen, Vålerenga, Rosenborg oder Stavanger verläuft der Ablauf meist ruhig. Doch als wir vor dem Stadion standen, dröhnte es lautstark von beiden Fanseiten. Bis zum Anpfiff hatten beide Gruppen bereits mit Gesängen und einzelnen Fackeln ordentlich Stimmung gemacht und bei nun gutem Wetter schien die Motivation hoch zu sein.

Ein etwas ungewöhnlicher, aber beeindruckender Anblick bot sich beim Gästeblock, der weit mehr als die übliche Kapazität füllte und komplett in Gelb erstrahlte. Einige Heimfans reagierten darauf – unter anderem auf deren Facebook-Seite – mit Unmut. Zum Spielbeginn präsentierten alle Tribünen Choreografien: Im Gästeblock wurden gelbe Pappen hochgehalten, in der Mitte formten weiße Pappen die Buchstaben LSK, die Abkürzung für Lillestrøm SK. Vålerenga zeigte auf der Gegentribüne eine schlichte Pappen-Choreo in den Vereinsfarben Rot und Blau, auf der Haupttribüne folgte eine ähnliche Aktion zum Schwenken der Fahnen. Auf der Stimmungstribüne wurden zusätzlich die Buchstaben VIF in die Höhe gehalten. Optisch ansprechend, aber noch kein Highlight – das kam erst nach zwei bis drei Minuten, als blauer Rauch und rote Fackeln den Block in kräftige Farben tauchten. Auch Lillestrøm legte nun nach, zündete etwa 30 Fackeln.

Nach der schnellen Führung der Heimmannschaft gelang Lillestrøm rasch der Ausgleich. Der schnelle Fußball auf beiden Seiten führte zu zahlreichen Chancen, die Vålerenga nutzte und nach 40 Minuten mit 3:1 in Führung ging. Die Atmosphäre blieb auf beiden Seiten hitzig, doch nach dem dritten Heimtor dominierte akustisch klar Vålerenga. Kurz vor der Halbzeit griff der VAR aus dem norwegischen Keller ein – eine seit dieser Saison eingeführte Regel, die bei den Ultras ähnlich unbeliebt ist wie in Deutschland. Die Entscheidung führte zu einer sehr umstrittenen roten Karte gegen Juklerod von Vålerenga, was den Auswärtsfans neue Hoffnung für die Halbzeitpause gab.

Nach dem Wiederanpfiff präsentierte Lillestrøm eine Rauchshow mit etwa 20 schwarzen Rauchtöpfen. Kurz darauf erzielte Adams den 3:2 Anschlusstreffer, was die Heimfans sichtlich schockte. Vålerenga fing sich danach etwas, und auch auf den Tribünen wurde es trotz anhaltender Lautstärke etwas ruhiger. Erst in den letzten Minuten gelang es Lillestrøm, in Überzahl wieder Druck aufzubauen und in der 86. Minute den verdienten Ausgleich zu erzielen – die halbe Gästekurve brannte erneut.

Vålerenga schien auf dem Platz und der Tribüne Kräfte zu verlieren, sodass das Unvermeidliche geschah: In der 96. Minute erzielte Adams den Siegtreffer zum 4:3, nachdem er nach einer langen Flanke frei stand und volley abschloss. Die „gelbe Wand“ explodierte vor Freude. Noch viele Minuten wurde nach dem Abpfiff gefeiert, während die Heimfans das Stadion schnell und fassungslos verließen. Eine frühe VAR-Entscheidung hatte diese spektakuläre Partie entschieden.

Wer Norwegen kennt, weiß, dass es in den Stadien sonst meist ruhig zugeht, oft sind sie nicht einmal halbvoll, und Gästeblöcke bleiben häufig geschlossen. Das Derby Vålerenga gegen Lillestrøm ist mit Abstand das heißeste Spiel des Landes – die Stimmung war überwältigend, und auch optisch gab es viel zu erleben. Ja, Pyrotechnik ist in Norwegen unter bestimmten Regeln legal, doch die Menge von über 150 Feuerwerkskörpern war dennoch beeindruckend. Die Rauchshow von Lillestrøm war wohl nicht erlaubt, zeigt aber, dass die Fans zu noch mehr bereit und in der Lage sind.

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